Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Sie planen nun, die Stelle des Umweltreferenten neu auszuschreiben. Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, um einige grundsätzliche Gedanken zur Diskussion zu stellen.
Der Umgang mit dem letzten Bewerber war entwürdigend. Diese Posse zwischen Intrige, Mobbing und bewusster Irreführung bringt mich zu der Frage:
Wie wollen wir eigentlich miteinander umgehen?
Die Tage nach der Aussetzung der Wahl des Umweltreferenten haben mich stark an dem zweifeln lassen, was ich hier in diesem Stadtrat eigentlich tue. Ich hatte schlaflose Nächte, in denen ich hundertmal mein Stadtratsmandat niedergelegt habe. Warum? Ich war unglaublich entsetzt, wie in nicht mal 24 Stunden ein guter Kandidat zerlegt und durch den Dreck gezogen wurde. Ich bin entsetzt, was über die ÖDP geschrieben wird, wie wir in eine rechte Ecke gestellt und mit Attributen versehen werden, die ich in keinster Weise nachvollziehen kann.
Islamfeindlich ist zu lesen: Ich kann Ihnen nur sagen, dass das nicht zutrifft. Ich selbst habe schon Bayram mitgefeiert, die Festtage zum Ende des Ramadan. Mit einer meiner Flüchtlingsfamilien, die ich seit sechs Jahren als Patin betreue.
Homophob ist eine weitere Eigenschaft, die der ÖDP vorgeworfen wird. Wir lassen jedem Menschen das Recht auf die Wahl seines Lebens- und Liebespartners. Da gibt es nichts daran zu zweifeln. Wir hatten mindestens 5 Kandidaten auf unserer Stadtratsliste mit homosexueller Neigung. Was sollen wir tun? Es künftig hinter die Namen schreiben?
Rechtsradikal ist ein Vorwurf unter der Gürtellinie, wir sollten bei Pegida mitlaufen wurde uns von einem Mitglied des Stadtrats empfohlen. Schämen Sie sich nicht?
Die ÖDP kämpft für eine lebenswerte und gerechte Gesellschaft – das ist unser Programm
Die alten Hasen unter ihnen werden sagen, ich bin wohl zu naiv. Die alten Hasen unter ihnen werden sagen, das ist das politische Geschäft. Intrigen gehören dazu. Ruinierte Existenzen wahrscheinlich auch.
Aber muss es wirklich so sein? Brauchen wir Schlammschlachten – ob mit oder in der Presse, brauchen wir Schlammschlachten auf Facebook oder in den Hinterzimmern? Am Ende produzieren wir damit doch nur Verlierer. Wir können uns nicht mehr in die Augen schauen und Vertrauen kann so nicht entstehen. Politikverdrossenheit entsteht genau dadurch. Brauchen wir aber nicht Vertrauen, um unserem Auftrag gerecht zu werden, für den uns die Bürger dieser Stadt gewählt haben?
Intrigen, an Stelle inhaltlicher Auseinandersetzung, ist dem Stadtrat nicht würdig.
Das wollen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht. Es geht um das Gemeinwohl, um das menschliche Miteinander.
Herrn Hollemann wurde nicht einmal die Gelegenheit gegeben sich zu erklären. Es galt noch nicht einmal die Unschuldsvermutung eines Angeklagten. Und Herr Hollemann war weder ein Angeklagter noch hatte er sich irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Im Gegenteil, er hatte den Mut sich einer Kandidatur zu stellen und es riskiert, auch in seinem Wahlkreis Enttäuschungen zu produzieren. Das es noch schlimmer kam, ist bitter.
Was mir sehr zu denken gibt, ist, dass das Jedem von uns jederzeit passieren kann. Niemand kann sich davor schützen, wenn Schwächen ausgenutzt werden oder Zusammenhänge hergestellt werden, die mit der eigenen Person wenig bis nichts zu tun haben. Auf der Website eines Stadtratsmitglieds habe ich festgestellt, dass die Einkünfte falsch angeben sind. Passen Sie auf, es könnte Ihnen jemand daraus einen Strick drehen! Ich persönlich glaube, dass Sie einfach vergessen haben, ihre Seiten zu aktualisieren. Sie sehen wie leicht es ist, viele von Ihnen haben deshalb wohl gar keine Website oder geben nur wenig Preis.
Ich für meine Person habe Konsequenzen gezogen: Erstens: Ich will keine Medien lesen, die Diffamierungen verbreiten. Das heißt, ich habe mein langjähriges SZ-Abo gekündigt und mich bei Facebook abgemeldet. Das verändert meinen Alltag, denn ich war ein täglicher Nutzer dieser Medien.
Des Weiteren bin ich vorsichtiger geworden, überlege mehrmals bevor ich etwas poste, maile oder schreibe. Geht es ihnen auch so? Haben Sie auch Angst, missverstanden zu werden? Doch auch hier frage ich sie: Muss das so sein? Brauchen wir ein Klima der Angst? Wollen wir nicht lieber eine Atmosphäre, die auch mal kleine Fehler verzeiht. Wo man nochmal nachfragt, wie etwas eigentlich gemeint ist? Eine Atmosphäre, wo man als Mensch und nicht als Schachfigur gesehen wird? Eine Atmosphäre, wo man für seine Arbeit und seinen Einsatz wert geschätzt wird.
Ich persönlich würde mir das sehr wünschen. Und ich glaube auch, dass wir das den Bürgern dieser Stadt schuldig sind.
Wir sollten uns gemeinsam in einer wertschätzenden Weise für diese Stadt einsetzen, statt uns gegenseitig zu bekriegen.
Mein Stadtratsmandat werde ich behalten, um insbesondere zu beweisen, dass Politik auch anders geht.
Wir von der ÖDP stimmen für die Neuausschreibung des Postens des Umweltreferenten und werden weiterhin konstruktiv mitarbeiten.
Sonja Haider