PV auf Mehrfamilienhäuser: Kommune als Vermittler und Pächter
Foto: Gemeinde Denzlingen
 

15.10.2021 / Guido Bröer / Energiekommune / Mieterstrom / Photovoltaik

Die Gemeinde Denzlingen will Photovoltaikanlagen möglichst auf alle Mehrfamilienhäuser bringen. Vor allem für Wohnungs-Eigentümer-Gemeinschaften (WEG) möchte Bürgermeister Markus Hollemann den Weg zur PV-Nutzung ebnen. Die Gemeinde bietet sich als Vermittler zwischen WEG und potenziellen PV-Betreibern an und ist auch bereit, dafür die Rolle der vertrauenswürdigen Dachpächterin zu übernehmen. Der Gemeinderat hat dafür jetzt einstimmig ein Modellprojekt beschlossen, das Hollemann auch zum Vorbild für andere Gemeinden machen möchte.
Solarstromanlagen auf Dächern von Mehrfamilienhäusern, insbesondere von WEG, sind auch in der sonnenverwöhnten badischen 14.000-Einwohner-Gemeinde Denzlingen vor den Toren Freiburgs eine Seltenheit. Viele WEG scheuen den Aufwand. Denn in der Regel besteht im Falle der Mehrfamilienhäuser keine Personenidentität zwischen dem Betreiber der PV-Anlage und den Verbrauchern – zumal viele Eigentumswohnungen vermietet sind. Hinzu kommt Uneinigkeit in der Eigentümerversammlung, wo sich eine Mehrheit für die PV-Anlage finden muss. Einzelne befürchten, dass die Dächer beschädigt werden könnten oder Dachsanierungen problematisch würden. Oder es besteht schlicht ein Vorbehalt dagegen, dass ein Dritter das Dach für seine Zwecke nutzt. Die Dachflächen vieler Bestandsgebäude bleiben daher leer.

Kommune pachtet WEG-Dächer

Der Denzlinger Plan: Die Kommune pachtet Dachflächen von den Wohnungseigentümern. Solarstromanlagen kommen aufs Dach – aber die Gemeinde betreibt diese nicht selbst, sondern Dienstleister wie lokale Bürgerenergie-Genossenschaften übernehmen das. Damit seien viele der Gründe, warum eine PV-Anlage auf dem Dach nicht möglich scheint, obsolet, meint der Bürgermeister. Die Gemeinde sei immer ein zuverlässiger und seriöser Partner. In der Dreieckskonstruktion aus Kommune, Energiedienstleister und verpachtender WEG kann sie auch die Verhandlungen mit dem PV-Anlagen-Betreiber übernehmen.

Den Nutzen für die Eigentümer und Bewohner der Mehrfamilienhäuser sieht Hollemann vor allem in preisgünstigen Mieterstrom-Angeboten. Die werden durch die PV-Anlage möglich. Auch eine Dachpacht könne eventuell gezahlt werden, aber „dann eher ein symbolischer Betrag”.

Gegenüber den Solarthemen sagt der Bürgermeister: „Das Dächerangebot von WEGs beziehungsweise Hausverwaltungen übertrifft derzeit unsere Erwartungen. Noch ohne direkte Anschreiben von uns sind zahlreiche Hausverwaltungen auf uns zu gekommen.” Und die Bürgerenergie-Genossenschaft, die im ersten Pilotprojekt die Rolle der PV-Betreiberin übernehmen will, signalisiere ebenfalls, dass das Kalkühl aufzugehen scheine. Hollemann: „Die Rückmeldung von den WEG ist, dass sie sich dem Thema annähern, weil die Kommune als vertrauenswürdiger Partner mit im Boot ist.”

Mehr PV auf Dächer der Mehrfamilienhäuser

Ob die Kommune tatsächlich pachtet, werde sich aber erst im Laufe des Prozesses zeigen, meint Hollemann. Er sagt: „Ziel ist mehr PV aufs Dach. Dabei sprechen wir zunächst über das Procedere, von der Dachprüfung über die Sensibilisierung der Eigentümer bis zur Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung. Erst zum Abschluss der Gespräche stellt sich die Frage, ob die Kommune überhaupt ,gebraucht‘ wird. Super wäre, wenn sich die Partner – Dacheigentümer und Betreiber – im Laufe des Prozesses finden und selbständig einig werden.”

Am Modellprojekt „Kommunen pachten WEG-Dächer“ ist auch die Energieagentur Regio Freiburg beteiligt. Sie möchte das Modell gern auf andere Kommunen der Region übertragen. Hollemann, dessen Kommune auch überregional schon mehrfach mit kreativen Klimaschutzideen aufgefallen ist, sagt: „Wir hoffen, dass viele Kommunen unserem Beispiel folgen, ähnliche Projekte in ihre Klimaschutzbestrebungen zu integrieren und zahlreiche WEG ihre Dächer mit Photovoltaik-Anlagen bestücken.“

15.10.2021 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Blickt man aus der Vogelperspektive auf Deutschland, sieht man, dass die solare Energiewende in Städten und Gemeinden noch immer überwiegend auf Dächern von Einfamilienhäusern stattfindet. Das ist unbefriedigend, denn fast die Hälfte der Deutschen wohnen zur Miete. Nur wenige von Ihnen kommen in den Genuss, in einem EFH mit Solaranlage zu wohnen. So bleibt ihnen nur, die Energiewende über EEG-Umlage zu finanzieren. Die dazugehörenden Anlagen entstehen woanders. Aber auch Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) wird es schwer gemacht, auf dem sonnenverwöhnten Dach eine Solarstromanlage gemeinsam zu betreiben. Die gemeinsamen Vorplanungen, die umfangreiche Organisation und der hohe Verwaltungsaufwand werden durch Bürokratie zusätzlich erschwert. Dabei wäre es so wichtig, alle solar nutzbaren Flächen zu erschließen und die Bürger:innen partizipieren zu lassen. 

Genau hier will eine Gemeinde Lösungen anbieten. Der Bürgermeister von Denzlingen im Schwarzwald setzt sich energisch dafür ein, dass auch Mieter:innen und WEG an der Energiewende teilhaben. In einem Pilotprojekt mit den Elektrizitätswerken Schönau und der Energieagentur Regio Freiburg pachtet die Gemeinde deshalb Dachflächen von Mehrfamilienhäusern, um Solarstromanlagen auf den Weg zu bringen – zum Vorteil aller Beteiligten: 

Die Gemeinde kommt der Erfüllung der Klimapflichten ein Stück näher und schützt Bürger:innen vor steigenden Energiepreisen. Als Teil der Daseinsvorsorge initiiert sie durch ihre Pacht große solare Dachanlagen.

  • Die Planung, Organisation und Verwaltung übernehmen Dienstleistungsunternehmen, die von der Gemeinde beauftragt werden.
  • Die Bewohner:innen werden Teil der Energiewende, da sie an den Einnahmen aus der Solarstromerzeugung durch günstiger Strompreise beteiligt.
  • Durch die Solarstromanlage steigt die Attraktivität und damit der Immobilienwert – zur Freude der Eigentümer.

Die Idee der Denzlinger ist hervorrragend. Sie birgt ein großes Potential in anderen Städten. 

Wenn die Bürgermeister:inenn dort weniger mutig sind und erst einmal abwarten wollen, wie es in Denzlingen weitergeht, müssen Wohnungseigentümergemeinschaften nicht in die Warteschleife. Einige erfolgreiche Projekte sind bereits direkt mit Dienstleistern abgewickelt worden. 

 

 

 

 

Quellen:

Energiekommune-Nov.2021

https://sfv.de/gemeinde-pachtet-daecher-von-mehrfamilienhaeusern

https://www.energiekommune.info/