SWR berichtet über deutschlandweit einzigartiges Pilot-Projekt
Auf Neubauten werden demnächst Photovoltaik (PV) -Anlagen zur Pflicht. PV-Anlagen auf Dächern gewerblicher Immobilien und auf neuen Einfamilienhäusern sind schon jetzt in Denzlingen keine Seltenheit mehr. Auch im Mehrfamilienhausbereich steigt das Interesse an Strom direkt von der Sonne. Dennoch sind Solarstromanlagen auf Dächern von Mehrfamilienhäusern, insbesondere von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG), eine Seltenheit. Die Gründe: Viele WEG scheuen den Aufwand. Denn in der Regel besteht bei Mehrfamilienhäusern keine Personenidentität zwischen dem Betreiber der PV-Anlage und den Verbrauchern – den Mietern und Eigentümern der Wohnanlage – des Solarstroms vom eigenen Dach. Dazu kommt Uneinigkeit in der WEG: in der Eigentümerversammlung muss sich eine Mehrheit für die PV-Anlage finden. Da sich PV-Anlagen meist erst nach 12 bis 16 Jahren amortisieren, scheuen viele der geraden älteren Eigentümer die dafür notwendige Investition.
Eine gewisse Skepsis herrscht bei manchen Eigentümern. Diese fürchten, dass die Dächer beschädigt werden könnten oder Dachsanierungen problematisch würden, dass es zu Konflikten mit dem Betreiber kommen könnte oder es bestehe schlicht Vorbehalte dagegen, dass ein Dritter das Dach für seine Zwecke nutzt.
Die Dachflächen vieler Bestandsgebäude bleiben daher oft ungenutzt. Das will die Gemeinde Denzlingen nun ändern. Der Gemeinderat hat einstimmig den Start eines Pilot-Projekts für Mehrfamilienhäuser beschlossen. Der Plan: Die Kommune pachtet Dachflächen von den Wohnungseigentümern. Solarstromanlagen werden installiert – aber die Gemeinde betreibt diese nicht selbst, sondern Dienstleister wie lokale Bürgerenergie-Genossenschaften übernehmen das. Damit sind viele der Gründe, warum eine PV-Anlage auf dem Dach nicht möglich scheint, obsolet. Die Gemeinde ist immer ein zuverlässiger und seriöser Partner. Sie übernimmt die Verhandlungen mit dem PV-Anlagen-Betreiber und ist stets ansprechbar. Es ergibt sich eine Dreieckskonstruktion aus Kommune, Energiedienstleister und verpachtende WEG. Die Wohnungseigentümer bzw. die Hausverwaltung profitieren von erfahrenen Partnern im Energiegeschäft. Die Bewohner profitieren sogar im Besonderen: Denn diese werden drei bis vier Cent weniger pro verbrauchte Kilowattstunde Strom zahlen, wenn sie die Energie direkt vom eigenen Dach bzw. vom Energiedienstleister, der die PV-Anlage betreibt, beziehen. Die Eigentümer und Mieter der einzelnen Wohnungen sollen durch das Denzlinger „Rundum-Sorglos-Paket“ also weniger für ihren Strom zahlen, ohne selbst Geld zu investieren!
Zusätzlich herauszuheben ist, dass mit dieser Konstruktion umweltfreundlich Strom erzeugt wird und dass das enorme Solarenergiepotenzial genutzt werden kann. Damit werden zudem Beiträge geleistet, um die Denzlinger und die weltweiten Klimaschutzziele zu erfüllen. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit der PV-Anlage das EWärmeGesetz, das z.B. bei einem Heizungsaustausch greift, bis zu 100 Prozent erfüllt wird.
Bürgermeister Markus Hollemann, der Denzlinger Gemeinderat und die Energieagentur Regio Freiburg freuen sich darauf, dieses einzigartige Konzept zu realisieren. Hollemann: „Es ist ein Rundum-Sorglos-Paket für die Wohnungseigentümergemeinschaften, die ohne eigene Investition und mit minimalem Aufwand eine Photovoltaikanlage auf ihrem Dach erhalten. Dabei stehen wir als Kommune in der Verantwortung und hoffen so, auch Zweifelnde zu überzeugen.“
Das Modellprojekt „Kommunen pachten WEG-Dächer“ wird derzeit nur in Denzlingen aktiv angegangen. Doch mittelfristig, so die Vorstellung von Bürgermeister Hollemann, soll das Modell in die ganze Republik exportiert werden. „Das Verfahren für die Kommunen und die WEG ist unkompliziert und sicher. Es wird von breiter positiver Unterstützung in der Bevölkerung getragen. Wir hoffen, dass viele Kommunen unserem Beispiel folgen, ähnliche Projekte in ihre Klimaschutzbestrebungen zu integrieren und zahlreiche WEG ihre Dächer mit Photovoltaik-Anlagen bestücken.“
Zwei Interviews SWR AKTUELL (TV und Radio): hier klicken
Quelle: Gemeinde Denzlingen